Die Therapeuten kümmern sich um die Manifestationen, und sobald man sich auf diese Welt der Manifestationen einlässt, befindet man sich in einer endlosen Welt. Sie gehen zu einem Therapeuten und sagen: «Ich leide.» Wenn der Therapeut sagen würde: «Sie leiden, weil Sie abgetrennt sind, und Sie sind abgetrennt, weil sämtliche Bausteine Ihres Lebens auf dem falschen Fundament ruhen» , dann müssten Sie Ihr gesamtes Leben demontieren. Sie müssten Ihr gesamtes Leben vollkommen neu bewerten. Doch die Leute gehen nicht zu einem Therapeuten, um das zu tun. Sie wollen eine schnelle Reparatur, damit sie so weiterleben können, wie sie es gewohnt sind. Wenn der Therapeut ehrlich zu ihnen ist, kann er seinen Beruf bald an den Nagel hängen. Wenn der Therapeut seinen Beruf an den Nagel hängen muss, dann muss er sein eigenes Leben unter die Lupe nehmen. Und welcher Therapeut möchte das schon?
Dies ist eine folgenschwere Frage, der sich jeder Psychologe stellen muss: «Gestatte ich es dem Bewusstsein, in meinem eigenen Leben voll zum Ausdruck zu kommen?» Es liegt nicht am Patienten, es liegt an mir. Und wenn das Bewusstsein in mir voll zum Ausdruck kommt, dann zeigt sich das auch in der Beziehung zum so genannten Patienten.
Jetzt unternehmen wir die Erkundung gemeinsam; wir stehen wieder in einem Dialog. Und wenn ich mit dem Patienten im Dialog stehe, kann ich nicht mehr außerhalb des «Wahnsinns» stehen. Ich muss mich darauf einlassen. Wenn ich mich auf den Wahnsinn einlasse, dann befinde ich mich nicht mehr in der Position des sicheren und distanzierten Therapeuten. Der Ort, an dem ich mich jetzt befinde, ist zwar kein sicherer Ort, aber er ist ein transformierender Ort.
aus: "Und jetzt?", Die Frage auf die Antworten des Lebens, Steven Harrison, 2005, Edition SPUREN